Freya von den sieben Inseln by Conrad Joseph
Autor:Conrad, Joseph [Conrad, Joseph]
Format: epub
Tags: Novelle
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2009-07-13T03:20:03+00:00
Kapitel V
Alles, was über die nächsten sieben Wochen zu sagen nötig wäre, ist erstens: daà der alte Nelson (oder Nielsen) doch nicht seinen diplomatischen Besuch ausführen konnte. Der »Neptun«, das Kanonenboot Seiner Majestät des Königs der Niederlande, von einem schwerbeleidigten, wutschnaubenden Leutnant geführt, verlieà die Bucht zu einer ungewöhnlich frühen Stunde. Als Freyas Vater an die Landungsstelle kam, nachdem er erst das Ausbreiten seiner kostbaren Tabakernte in der Sonne beaufsichtigt hatte, dampfte der »Neptun« bereits um die Landspitze herum. Der alte Nelson bedauerte diesen Umstand tagelang.
»Jetzt weià ich gar nicht, in welcher Gemütsverfassung der Mann abgefahren ist«, klagte er seiner hartherzigen Tochter. Er war erstaunt über ihre Härte. Ihre Gleichgültigkeit erschreckte ihn fast.
Ferner muà berichtet werden, daà der »Neptun«, der nach Osten steuerte, am selben Tage an der »Bonito« vorbeifuhr, die ebenfalls einen östlichen Kurs hielt, aber ohne Wind in Sicht vor Karamita lag. Ihr Kapitän, Jasper Allen, der sich mit BewuÃtsein einem langen, zärtlichen Traum hingab, in welchem Freya ihm schon gehörte, erhob sich nicht einmal aus seinem Liegestuhl auf der Hütte, um den »Neptun« anzusehen, obgleich er so dicht vorbeifuhr, daà eine plötzlich aus seinem dicken, schwarzen Schornstein herausströmende Rauchwolke sich zwischen die Masten der »Bonito« wälzte und einen Augenblick die sonnenbeschienene, makellose WeiÃe ihrer dem Dienst der Liebe geweihten Segel verhüllte. Jasper wandte nicht einmal den Kopf zu einem flüchtigen Blick. Aber Heemskirk hatte von seiner Brücke aus schon von fern die Brigg lang und ernst betrachtet und dabei die Messingreling vor sich fest umklammert. Als die beiden Fahrzeuge sich näherten, übermannte ihn die Wut dermaÃen, daà er eiligst nach dem Kartenraum flüchtete, wo er die Tür krachend hinter sich zuwarf. Dort saà er mit zusammengezogenen Brauen, den einen Mundwinkel in hämischen Betrachtungen herabgezogen, viele stille Stunden wie ein Prometheus in den Banden gottloser Lust, während ihm die Eingeweide von dem Schnabel und den Klauen gedemütigter Leidenschaft herausgerissen wurden.
Diese Vogelgattung läÃt sich nicht so leicht verscheuchen wie ein Kücken. Zum Narren gehalten, betrogen, hintergangen, an der Nase herumgeführt, beleidigt, verspottet â Schnabel und Klauen! Wahrlich ein unheilvoller Vogel! Der Leutnant hatte keine Lust, zum Gerede des ganzen indischen Archipels zu werden als der Marineoffizier, der sich von einem Mädchen eine Ohrfeige geholt hatte. War es denn möglich, daà sie wirklich diesen elenden Händler liebte ? Er gab sich die gröÃte Mühe, nicht nachzudenken, aber schlimmer als Gedanken waren die Eindrücke und Erinnerungen, die ihn bis in seine Zufluchtstätte verfolgten. Er sah sie â deutlich und klar wie ein Bild vor sich, in allen Einzelheiten, plastisch, mit allen Farben, von Licht beschienen â, er sah sie, wie sie am Halse jenes Kerls hing. Er schloà die Augen, fand jedoch, daà es ihm keine Erleichterung brachte. Und dann begann ein Klavier in der Nähe zu spielen; er steckte die Finger in die Ohren, aber vergeblich. Es war nicht zu ertragen â wenigstens nicht in der Einsamkeit. Er stürzte aus dem Kartenraum und begann etwas verworren mit dem Wachtoffizier auf der Brücke über gleichgültige Dinge zu sprechen, immer von den mokanten Klängen eines geisterhaften Klaviers verfolgt.
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